‚True Crime‘ hat große Probleme

Morde, Entführungen, Gewalttaten – selbstverständlich sind das Dinge, mit denen wir im Alltag nichts zutun haben wollen. Doch zu Hause auf dem Sofa vor dem Fernseher, da können viele von uns gar nicht genug davon bekommen. Stunden um Stunden schauen (und hören) wir ‚True Crime‘ Content. Und da das Angebot der Nachfrage folgt, gibt es inzwischen auch ein schier unendliches Angebot an Verbrechensgeschichten mit Bezug zur Realität – egal, ob ungelöster Mordfall, Entführung im Wald des hinterletzten Dorfes oder die Suche nach verschwundenen Juwelen. Eins haben diese Erzählungen gemeinsam: Sie versprechen gute Zuschauer*innenzahlen bzw. große Reichweite. Doch das Genre hat ebenso große Probleme.

Oft zahlen ohnehin Geschädigte den doppelten Preis

Serien oder Dokus, die wahre Verbrechen nacherzählen oder wieder aufrollen haben ihren Preis. Den zahlen oftmals Opfer und Beteiligte, die durch Recherchen, Interviews oder die bloße Ausstrahlung noch einmal traumatisiert werden können. Geschichten von Angehörigen, die immer wieder an die schrecklichen Verbrechen, die an ihren Lieben begangen wurden durch Fernsehbilder erinnert werden, gibt es genug. Auf der anderen Seite werden durch solche Formate auch immer wieder die Täter*innen selbst glorifiziert, in dem jedes Detail ihrer grausamen Taten nacherzählt wird oder sie sogar selbst als „Kronzeug*innen“ vor die Kameras dürfen. Alles in 4K HDR und Surround-Sound versteht sich!

‚True Crime‘ oder: mir ist da nichts besseres eingefallen

Spätestens seit der Netflix-Serie Making a Murderer ist das „Gesicht“ des Genres klar: Matte Farbpalette, düstere Musik, das Spiel mit der Tiefenschärfe und die obligatorischen Beweismittel in Form von Original-Videos oder -Fotos. Alles aufwendig verwebt in Zeitstrahlen, Karten und Interviews. Vorbei scheinen die Zeiten von Laiendarstellern, die im Dunkeln und mit spärlicher Beleuchtung (gruselig!) den vermeintlichen Tathergang nachspielen. Doch seither hat sich auch in Sachsen Hochglanz-Crimedoku nicht mehr viel getan. Produzent*innen setzen auf immer die selben Gestaltungsmittel, Erzählweisen und am Ende auch Geschichten.

Gibt es noch Hoffnung?

Leider sind das nicht die einzigen Kritikpunkte, die man dem Genre anlasten kann. Im Podcast diskutieren wir noch viele weitere. Aber es gibt auch immer wieder tolle Beispiele, für wirklich gut gelungene Kriminal-Recherchen, die nicht nur neue Wege gehen, sondern auch versuchen, etwas zu bewegen. Das muss nicht immer der sensationelle Freispruch für eine zu unrecht inhaftierte Person sein. Manchmal reicht es auch, systematische Probleme zu beleuchten, statt immer nur die gleichen Geschichten über DEN EINEN dämonischen Täter zu erzählen. Das gab es schon weit vor dem wahrscheinlich ersten international bedeutsamen „True-Crime-Fall“: den „Jack-The-Ripper-Morden“ um 1988 in London. Dennoch: Die Faszination für „das Böse“ und für Geschichten über wahre Verbrechen begeistern uns Menschen schon so lange, dass wahrscheinlich feststeht: ‚True Crime‘ wird nicht verschwinden.

Für Feedback und Anregungen, kommentiert gern auf unserer Seite, schreibt uns eine Mail oder twittert und an @das_filmmagazin.

Shownotes

FAZ: Boom des True-Crime-Genres: Verbrechen lohnt sich doch

SPIEGEL: Genre »True Crime«: Boulevard für Besserverdienende – Kolumne

BBC: Is our growing obsession with true crime a problem?

Der Standard: Mord ist mein Hobby: Über den Boom von True-Crime-Formaten

Vulture: The Ethical Dilemma of Highbrow True Crime

TIME: The Human Cost of Our True Crime Obsession

Medium: The Problem with Netflix’s True Crime Documentaries

Screenrant: True Crime Documentaries are Going Too Far

Süddeutsche: „True Crime“-Trend: Echt ist manchmal zu echt

FAZ: True-Crime-Hype: Fasziniert vom Bösen

The Ringer: We’re Watching More True Crime Than Ever. Is That a Problem?

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